Rückblick auf das tanzhafenFESTIVAL 2014
Der große Auftakt des Festivals begann am 23. April um 19 Uhr im Deep Space des AEC. Kulturreferent und Vizebürgermeister Bernhard Baier eröffnete mit Ulrike Hager und Ilona Roth das Festival. Am ersten Tag stand die Verschränkung von Tanz- und Medienkunst im Vordergrund. Mit dabei waren an diesem Abend KünstlerInnen, die entweder am Beginn ihrer Karriere stehen oder solche, die bereits internationale Erfolge feiern konnten.
Im Anschluss an die Vorstellungen fand der „Tanzsaoln“ im RAUMSCHIFF am Hauptplatz 5 unter der Moderation von Theresa Luise Gindlstrasser statt. KünstlerInnen und Publikum waren auf einen gemeinsamen Abend mit Diskussionen zur zeitgenössischen Tanzkunst eingeladen. Da die zeitgenössische Tanzkunst viel Neues, Ungewohntes und Überraschendes zustande bringt, möchte das Festival dem „Genre-fremden“ Publikum den Einstieg erleichtern. In gemütlicher Atmosphäre bei Snacks und Getränken wurde über das Gesehene gesprochen und ein Blick hinter die Kulissen ermöglicht. Die KünstlerInnen konnten so Hintergründe zu ihren Stücken vermitteln und Anregungen ein Publikum erhalten. Das Highlight dieses Abends war die Live-Band „Anna Katt“.
1. Viktor Delev & Joanna Gruberska: Anatta (30 min)
2. Tom Hanslmaier/Karl-Heinz Ströhle: Gregor Samsa (15 min)
3. Bandart Productions: Dancing Graffiti (25 min)
4. Eva Svaneblom & Lina Hofverberg: Ghost Hunter – Kurzfilm (15 min)
5. Hygin Delimat und Martyna Lorenc: Beton (30 min)
+++ ab 22 Uhr fand der Tanzsalon im Raumschiff statt +++
Anatta: Der Titel des Stückes Anatta bezieht sich auf Schriften der buddhistischen Lehre, genauer gesagt auf den Satz „sabbe dhamma anatta“. Dieser besagt, dass alle Phänomene ohne ein Selbst, ohne einen bleibenden Kern sind. Der Medienkünstler Viktor Delev (MK/AT) und die Tänzerin Joanna Gruberska (PL) wollen mit dieser Performance die Schere zwischen interaktiver Technologie und performativer Kunst auf eine Art und Weise schließen, in der keines der Elemente dem anderen den Weg diktieren soll.
Gregor Samsa: 2012 entstand die Performance und das Video „Gregor Samsa“ im Rahmen einer großen Schau von Karl-Heinz Ströhle im Kunstraum Otten, in Hohenems. Vorarlberg. Es ist dies die Fortsetzung einer Zusammenarbeit die schon 2007 im Rahmen 10 Jahre Kunsthaus Bregenz, („1X1X1“ eine Videoprojektion auf das ganze Haus) begonnen hat. In Anlehnung an die Figur in Kafkas Erzählung, die Verwandlung, ist die Performance entstanden. Wireframe ist eine Werkserie aus Federstahlskulpturen von Karl-Heinz Ströhle. Aus punktgeschweißten Stahlbändern entstehen freistehende Objekte, die durch einen Impuls in Schwingung versetzt werden können.
Dancing Graffiti is a unique interdisciplinary performance about the roles of private, public and inner walls that combines dance with live digital graffiti art. The performance collects every kind of urban graffiti into one story that follows the evolution of a character from her birth, through her fights, until she discovers special inner powers. BANDART productions is a collaboration of two Budapest based artists: Katalin Lengyel dancer– choreographer and Szabolcs Tóth-Zs. new media artist.
Ghost hunter is a dance theatre shortfilm about fears. About being afraid. About finding your inner super hero and conquer your fear. Maybe that thing that seemed so scary isn’t so bad after all… Ghost hunter is a collaboration with the artist Lina Hofverberg.
Beton ist die abstrahierende Umsetzung körperlicher Erfahrungen in eine Sprache der Bewegungen. Beton zeichnet ein Bild der Alltagsrealität in kommunistischen Wohnblöcken, in denen tausende Menschen anonym und auf engstem Raum nebeneinander her leben: oft unglücklich, ohne Perspektive, gelangweilt und dem Alkohol verfallen. Nur ein paar wenige versuchen, dieser Realität entgegen zu wirken.
Am Performance Day wurde der zeitgenössische Tanz mit verschiedenen Schwerpunkten präsentiert. Es war ein Abend mit einer bunten Mischung aus Ästhetk, Bewegung, Poesie, Witz und Ironie. Die Programmpunkte waren erneut kostenlos.
1. Marina Koraiman: faszie. Eine Werkschau (20 min)
2. Vertebra Dance-Collective: The Hands (10 min)
3. tanz.coop: I wanna be a Supernatural Rocket (30 min)
4. Sundora & Dgendu: What if (30 min)
5. Matan Levkowich & Luan Manfredi: Boys don’t cry (25 min)
+++ ab 21:30 fand der Tanzsalon im Raumschiff statt +++
faszie. Eine Werkschau: Bestandsaufnahme in der (vermutlichen) Mitte des Lebens, basierend auf den künstlerisch realisierten Projekten von Marina Koraiman der letzten 23 Jahre. Das Bild der Faszie dient dabei als Metapher: Bindegewebe, das den ganzen Körper als umhüllendes und verbindendes Spannungsnetzwerk durchdringt, Matrix für interzelluläre Kommunikation und strukturelle Integrität. Kostüme/ Objekte als Relikte energetischer Zustände werden Stück für Stück in identifikatorischer Selbstbefragung neu verbunden.
“The Hands”: This solo dance work is based on a short story called ”The Hands” that was published in 2010 by the Greek author Mr. Michalis Ganas. It is about the tired hands of an old woman that are seeking for caress but are shy. It is an ode to the women that have lived their lives strong, full of preoccupations, that have made their living mostly with manual jobs. It is about thoughts being weaved with memories in the mind of traditional and powerful women.
Die Tanzperformance „I wanna be a Supernatural Rocket“ versucht herauszufinden, was zwischen dem echten Leben und der Utopie eines Superhelden liegt. Ihre zentralen Fragen sind: Brauchen wir Helden? Was erwarten Menschen von einem Helden? Was macht mich zu einem Helden? Können wir alle ein Superheld werden? Was muss ich machen, um ein Superheld zu werden. Für tanz.coop ist ein Held jemand, der sich unter außergewöhnlichen Umständen in einer bestimmten Weise verhält.
Through the metaphor of a meeting between two people “What if” speaks about subtle process of human transformation. In the physicality of attempts, tryouts, doubts and wonders it tries to share how challenging it is to actually change our safe patterns and protective habits. In doing so we might have a chance for fragile communication…
Der 3. Tag des tanzhafenFESTIVALS war engagierten Schüler- und Jugendgruppen gewidmet. Einen ganzen Nachmittag lang zeigte der Tanznachwuchs aus Linz und Umgebung sein Können. Der Eintritt war für die Besucher wiederum frei.
Ab 20:00 Uhr fand das Abendprogramm im Posthof statt. Auf der Bühne standen die Editta Braun Company featuring Dante Murillo mit „derzeit wohnhaft in“ sowie Goran Bogdanovski & Fičo Balet mit „Parodos“
„derzeit wohnhaft in“: Dantes Solo erkundet die Auswirkungen der globalen Mobilität auf den einzelnen Menschen. Mit seinem ganzen Sein, mit Haut und Haar, Körper und Sprache, spürt der gebürtige Kolumbianer, der seit 2006 in Europa lebt und arbeitet, Erfahrungen nach, die er selbst gemacht hat und die exemplarisch sindIndische IT-Spezialisten in Großbritannien, die Altenpflegerin aus der Ukraine nebenan, afrikanische Straßenreinigungskräfte in Paris oder der Dönerverkäufer am Bahnhof: Immer mehr Menschen verlassen ihr Land auf der Suche nach dem Glück, nach neuen Perspektiven oder schlicht um zu überleben. Abflug, Ankunft, neues Leben: Die Entwurzelung ist ein tiefer Einschnitt, der Spuren hinterlässt. Auf große Träume folgt oft die Ernüchterung, eine mühsame Zeit beginnt, und manch einer verliert sich dabei selbst. Der sich daheim wie ein Fisch im Wasser bewegte, zögert jetzt bei jedem Schritt. Ständiger Beobachtung ausgesetzt, oft verdächtig, immer unter Rechtfertigungsdruck, bemüht, nur nicht anzuecken, verliert er jede Spontaneität. Und auch wenn er eine Wohnung findet: Was ist mit der Sprache, dem „Haus des Seins“?
Parodos ist eine Serie von assoziativen Einblicken, eine Art tanzender Strom des Bewusstseins. Was auch immer die Schöpfer erleben, wird in Bewegung umgesetzt. Die Eindrücke, Fragmente und Gedanken verflechten sich zu einer Form, die für uns offen genug ist, um sich in sie hinein zu versetzen. Wir sehen Abbilder des täglichen Lebens: Arbeit im Studio, Proteste, Liebe, Training, alle Kombinationen von Beziehungen, Traumsequenzen, Mambo Jambo in allen Abläufen. Gedanken, Gefühle, Instinkte und Triebe werden an die Oberfläche getragen. Die Komplexität des Seins und der Existenz manifestiert sich auf allen Ebenen und wir fragen uns: Ist das alles real? Ist dies nur ein Traum, eine Erscheinung? Es ist alles real und nur der Anfang. Zurück in eine ferne Vergangenheit, dann wieder in das Hier und Jetzt und erneut weit weg… das machen die Darsteller in Parodos immerzu. Unaufhörlich. Wieder und wieder, immer und ewig dreht sich unser Parodos.
“The show itself is fantastic, a highly complex composite and nevertheless carries a clear message: That we can do everything what we started together, if we put enough (all) of our energy into the group, in our mutual relations, mutual feelings, respect, love.” P. C
Am 5. Tag konnten die BesucherInnen des tanzhafenFESTIVALS selbst aktiv werden. Von 10:00 Uhr bis 18:00 Uhr fanden mehrere Workshops zu unterschiedlichen Bereichen aus der zeitgenössischen Tanzkunst statt.
Hoop Community: Hoop Dance Basic 1
Marina Koraiman: Dance of Air
Katja Bablick: Zeitgenössischer Tanz Basic
Anna Ach MUT TUT GUT – Improtheater
Silvia Feldmaier Dance it! – Tanztraining für bewegungsfreudige Erwachsene
1. Jianan Qu, Hannes Löschel, Ursula Klein: Are you lonesome tonight (40 min)
2. Anni Taskula, Agnieszka Pedziwiatr, Juan Camillo Herrera Exhibiting Eye (25 min)
3. Mario Glas, Magdalena Meindl, Johanna Nilson: LOVE TALK (25 min)
4. Jianan Qu & Kunstuniversität Linz: wirklich ohne titel (25 min)
5. Kai Simon Stöger: Roedeln/Toiling and Moiling (50 min)
1. Cie. tauschfühlung: solo(w) (15 min)
2. Cie. tauschfühlung: Das Selbst, gefangen in kognitiven Strickleitern (25 min)
3. The LEDies – LiveArtMotion (20 min)
„Are you lonesome tonight“: Ein Dialog im limitierten Raum, genauer gesagt zwei Räumen. Während der eine sich füllt, leert sich der andere. Während sich da ein Körper materialisiert, abstrahiert sich dort eine Musik aus der Vakuumverpackung. Zwei Planeten, jeder für sich und doch abhängig voneinander. Dazwischen eine Schleuse. Luft als Träger und Mittler. Die pneumatischen Variationen von Musik und Bewegung halten die Räume zwischen ihrer größten Ausdehnung und engsten Form in ständiger Bewegung.
Exhibiting Eye ist ein Tanzkabarett über Identitäten, Persönlichkeiten und Charaktere. Die Bereiche zeitgenössischer Tanz, Performance und visuelle Kunst werden in diesem Stück kombiniert. In einem offenen Raum ohne konventionelle Bühnensituation wird das Publikum durch Installationen und performative Skizzen geleitet. Das Hauptziel ist, eine erfundene Identität vorzustellen, einen mehrdeutigen Charakter durch diese Performance entstehen zu lassen, jemanden, der nur im Rahmen dieses Stückes existiert. Die Performance verfolgt einen interdisziplinären Ansatz, indem sie Tanz, Video und Rauminstallation miteinander verbindet.Das Format des Kabaretts gibt zusätzlich die Möglichkeit, durch verschiedene Sketches Eigenschaften der Darsteller vorzustellen.
LOVE TALK: Das ist das erste Mal. [Wirklich!] Und ich meine das so. Du aber sprichst ja in Sätzen. Was ist dieser Arm. Wirklich, wirklich. Ehrlich. New is always better. Ich dich. Du mich. Fühlt sich das also so an. Fühlt sich an wie ein Satz. Das aber ist ja ein Satz. Und das da ist der beste Sex
„Roedeln/ Toiling and Moiling“ – ein Stück, das zeitgleich mit zwei anderen Jobs entsteht. Im Studio treffen sie sich alle. Und so werden verschiedene Aspekte des Flexiblen, Offenen, sich Anpassenden beleuchtet. Welches Begehren steht im zeitgenössischen Tanz hinter dem offenen, sich transformierenden Körper? Ist es nur ein Begehren oder eine Vielzahl an miteinander verwobenen und teils ambivalenten, widersprüchlichen Wünschen? Wie verbindet sich das mit Arbeitsverhältnissen, die verstärkt Eigeninitiative und Flexibilität fordern? Und welche partikulären Forderungen und Ideen von Kollektivität sind in diesem Rahmen möglich, oder vielmehr nötig?
solo(w): Zeitgenössisches Tanzstück. Expressive Bewegungssprache, Klangwelten und Lichtkonzepte führen die Zuschauer in Traumwelten, wo Realität und Fantasie fusionieren. Sich miteinander verbinden, Zusammenhänge spüren und konventionelle Muster ablegen. Die Verbundenheit fühlen. Einflüsse und Reize von Außen lassen uns oft den Halt verlieren und es scheint jeder wäre auf sich gestellt. Gemeinsamkeiten werden ausgeblendet. Man kann nur so tief fallen, wenn man sich ganz von Allem und Jedem abzutrennen versucht. Spürt man dann aber wieder den Rückhalt durch das Wahrnehmen eines großen Ganzen, findet man auch wieder den Weg zurück. Tief zu fallen ist sehr leicht, doch wieder hochzukommen scheint manchmal eine schwierige Herausforderung zu sein…Bist du noch da??
Das Selbst, gefangen in kognitiven Strickleitern.Immer wiederkehrende innere Monologe. Immer wiederkehrende Diskussionen und Dialoge, die sich in einer Endlosschleife verlieren zu scheinen. Kein Anfang, kein Ende. Eine Endlosschleife, die sich zu einer Strickleiter aufbaut. Eine Strickleiter, in der wir unser Selbst zu verlieren scheinen.
LiveArtMotion: Zwei mysteriös leuchtende Skulpturen erschaffen mit ihrer seltsam schönen Erscheinung eine abstrakte Atmosphäre einer “Live Art Motion”. Ihre eigenartigen Bewegungsformen und die Art der Kommunikation lassen eine unsichtbare Membran entstehen, die sie zu umgeben scheint. Innerhalb dieser Sphäre beginnt ein geheimnisvoller Tanz zwischen zwei Zellen, die von Licht durchflutet sind. Die konstante Transformation der visuellen Eindrücke kreiert die Illusion von zwei Wesen in ihren Kokons die sich gegenseitig anziehen und beeinflussen um ihre Grenzen immer wieder neu zu definieren.